Monitoring des lokalen Erfahrungswissens über Agrarbiodiversität und Pflanzen aus Wildsammlung im Biosphärenpark Großes Walsertal (Vorarlberg, Austria)


Verbindung zwischen Biodiversität – traditioneller Kulturarten sowie wild gesammelter Pflanzen - und kultureller Vielfalt
       

Abbildungen: Alpabtrieb (von Alpe Laguz nach Raggal); Blüten von Malva sylvestris für Tee; Frauen des Alchemilla-Kräuterprojektes beim Tee mischen (Fotos: Grasser 2008)

Das Projekt

BioCultural Diversity Monitoring –  Verwendung und Management der Vielfalt an traditionell angebauten Kulturarten, deren Sorten und wild gesammelten Pflanzen im Biosphärenpark „Großes Walsertal” (Vorarlberg, Austria)

MAB („der Mensch und die Biosphäre“)-Forschungsprojekt gefördert von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Projektbericht als Download

Team:

Susanne Grasser, Christoph Schunko, Brigitte Vogl-Lukasser and Christian R. Vogl    
AG Wissenssysteme und Innovationen
Institut für Ökologischen Landbau
Department für Nachhaltige Agrarsysteme
Universität für Bodenkultur / BOKU
Gregor Mendel Strasse 33, A-1180 Wien, Austria

  Abbildung: Biosphärenpark-Logo

Publikationen im Rahmen des Projekts


Weltweit wird zunehmend deutlich, dass die Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, die Vielfalt an indigenen Kulturen mit ihrem Erfahrungswissen und die Vielfalt an Sprachen eng miteinander verknüpft sind und sich wechselseitig beeinflussen. Zunehmend beschäftigen sich Forschungsarbeiten damit nicht nur „die Biodiversität“ zu schützen, sondern das reichhaltige kulturelle Erbe der lokalen Bevölkerung im nachhaltigen Umgang mit dieser Biodiversität zu erfassen und zu verstehen.

Im Biosphärenpark Großes Walsertal ist die Vielfalt an wild gesammelten Pflanzenarten sehr groß. Zusätzlich findet man Hausgärten mit einer bunten Vielfalt an Kulturarten. Entsprechend ist das Erfahrungswissen der Bewohnerinnen und Bewohner über diesen Pflanzenreichtum sehr umfassend. Dieses lokale Erfahrungswissen über Pflanzen und die Mannigfaltigkeit an Vorlieben für ihre Verwendung ist kulturelles Erbe. Es beinhaltet viele Erfahrungen und viele Weisheiten über die Beziehung der vielfältigen Elemente von Natur und Kultur (eben über bio-cultural diversity).

Abbildungen: Calendula officinalis in Öl angesetzt; Wissensweitergabe über Peucedanum Ostruthium; Bäuerinnen-Garten in St. Gerold (von links nach rechts) (Fotos: Grasser 2008-2010)

Ziel des Projektes ist es:
• die Vielfalt der von den Einheimischen wild gesammelten Pflanzen,
• die Vielfalt der von den Einheimischen traditionell angebauten Kulturarten und   deren Lokalsorten
• die Vielfalt an Vorlieben, Gebräuchen und Verwendungen dieser Pflanzen zu dokumentieren
• und sichtbar zu machen die Rolle der Frauen als Nutzerinnen und Hüterinnen von Biodiversität, sowie deren lokales Erfahrungswissen und unterschiedliche Einstellungen
• und aktiv lokale Initiativen sowie das Biosphärenpark-Management zu unterstützen in deren Bestreben zu nachhaltigem Naturschutz und einer nachhaltigen Nutzung der Ressourcen im Biosphärenpark. Der Forschungsprozess bezieht von Anbeginn an lokale AkteurInnen und Initiativen mit ein durch Stakeholder-Workshops, Einbindung der heimischen Bevölkerung in die Sammlung von Daten, die Analyse und durch Einschätzung, Bewertung und Verbreitung der Ergebnisse auf lokaler Ebene, inkl. Schulen, Bibliotheken und Kunst Festivals.

Inter- und transdisziplinär? - Wissenschaft geht unters Volk

Das Zusammenspiel verschiedener Wissenschaftsdisziplinen (interdisziplinär) ermöglicht einen vielseitigen Zugang zur Welt der Pflanzen. Verknüpft mit sozialwissenschaftlichen Methoden wird u.a. mittels Interviews und teilnehmender Beobachtung  die Beziehung der Menschen zur Natur beleuchtet (Ethno-Botanik).
Durch die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in den Forschungsprozess (transdisziplinär) wird eine unmittelbare Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis hergestellt.

Abbilungen oben: Kinder der Volksschule Blons beim Pflanzen Puzzel; Kinder der Volksschule Thüringerberg beim Pflanzen vorstellen; Kinder der Volksschule St. Gerold beim Pflanzen kennenlernen (von links nach rechts) (Fotos: Grasser 2009)

Im Großen Walsertal wurden im Frühjahr 2009 die Kinder (189) aller Volksschulen nach einführenden Workshops entsandt, ihre Eltern und Großeltern mittels strukturiertem Fragebogen zu deren Pflanzenwissen zu befragen. Die rege Teilnahme (506 Fragebögen) spiegelt das Interesse am Thema und auch die Bereitschaft der TalbewohnerInnen wider, in diesem Forschungsprozess aktiv mitzuwirken. Die im Jahr 2010 von den TalbewohnerInnen umgesetzten „Kräuter-Dokumentarfilme“ veranschaulichen gelebtes lokales Erfahrungswissen.

Mensch & Kraut in Bild & Ton

Mag das Hantieren mit Kräutern für manche immer noch an Hexerei grenzen,  der Umgang mit Kamera, Licht und Mikrofon ist es nicht. Das beweisen Kinder aus dem Großen Walsertal. Aus spannenden Geschichten über die im Tal gesammelten Kräuter, Beeren und Wurzeln verfassten sie Drehbücher. Als Forscherinnen und Forscher machten sie sich auf den Weg und interviewten kräuterkundige TalbewohnerInnen. Sie filmten das Sammeln und Verarbeiten von Bärlauch, Tannenwipfeln, Ringelblumen und vielem mehr.

Abbildungen oben: Kinder beim Filmen der „Kräutergeschichten“ (Fotos: Grasser 2010)

Mit Begeisterung schlüpften sie in die Rollen von Regisseur, Kameramann/-frau, Tonmischer, Oberbeleuchter oder Schriftführer und drehten gemeinsam einen Dokumentarfilm, der die fesselnden „Kräutergeschichten“ im Großen Walsertal aus Sicht der Kinder zeigt.
Die Filme entstanden im Rahmen zweier Workshops, unter der Leitung von Maria Weber (Filmemacherin) und Susanne Grasser (Ethnobotanikerin, BOKU). Die Filme „Kraut im Bild“ und „Ein Zwerg kaut am Berg Kraut“ wurden beim Kulturfestival Walserherbst im September 2010 uraufgeführt. Die Filme sowie Backstage sind auch auf YouTube zu sehen: Kraut im Bild Kraut im Bild 1 (Birkenblätter - Wiesensalat), Kraut im Bild 2 (Bärlauch-Suppe), Kraut im Bild 3 (Ringelblumen-Salbe und Brennnessel-Tee), Kraut im Bild 4 (Tannengipfele-Honig), Kraut im Bild 5 (Tee-Kräuter), Kraut im Bild Backstage. Ein Zwerg kaut am Berg Kraut Ein Zwerg kaut am Berg Kraut 1 (Holunder-Küchle), Ein Zwerg kaut am Berg Kraut 2 (Tee-Kräuter), Ein Zwerg kaut am Berg Kraut 3 (Lavendel-Honig-Seife), Ein Zwerg kaut am Berg Kraut 4 (Blüten-Salbe), Ein Zwerg kaut am Berg Kraut 5 (Meisterwurz), Ein Zwerg kaut am Berg Kraut Backstage.  
Flyer zum Film (als pdf – download)

Wertschätzung als Basis

Viele Rückmeldungen aus der Bevölkerung machen deutlich, dass das Wissen um die Pflanzen und deren Nutzung im Großen Walsertal lebendig ist:
„…dass die Kräuter, Gräser und Früchte der Natur geschätzt und in Ehren gehalten werden”
„…dass auch unsere Kinder lernen, dass es etwas besonderes ist und unser Gott das alles uns gibt”

Diese bewusste Wertschätzung ist die Basis für einen nachhaltigen Umgang  mit den natürlichen Ressourcen.

Abbildungen: Sammeln von Löwenzahnblüten (Taraxacum officinale agg.); beim Interview im Bauerngarten; getrocknete Kräuter (von links nach rechts) (Fotos: Grasser 2008 - 2010)

Diplomarbeiten im Rahmen des Projektes

Grabowski M. (2010): „Meisterwurz und Aderlass“ Anwendung und Wandel des ethnoveterinärmedizinischen Wissens im Großen Walsertal/Vorarlberg unter Hervorhebung der pflanzlichen Hausmittel und des religiösen Brauchtums. Diplomarbeit. Universität Wien. Vogl T. (2011): Lokale Gemüsesorten. Erfahrungswissen von Hausgärtner_innen zu Lokalsorten im Biosphärenpark Großes Walsertal (Vorarlberg). Masterarbeit. Universität für Bodenkultur. Frank B. (2011): BioCultural Diversity in Europe. A Literature Review of Selected Projects. Diplomarbeit. Universität für Bodenkultur.

Publikationen im Rahmen des Projektes

Poster (EN)