Wie der Satellit seinen Platz in der digitalen Landwirtschaft fand

Der beschwerliche Weg vom All zum Acker

Francesco Vuolo

Die systematische Erfassung der Erdoberfläche durch Satellitenbilder begann 1972 mit dem US-amerikanischen Landsat-Programm. Mit diesen Daten war es endlich möglich, Boden und Vegetation kontinuierlich zu überwachen und zu untersuchen. Mit der begrenzten Speicherkapazität an Bord (unter der Verwendung von Videorekordern) konnten die Bilder jedoch erst dann gesammelt und heruntergeladen werden, wenn die Satelliten in Sichtweite der Bodenempfangsstationen waren. Diese befanden sich zunächst nur auf dem Gebiet der USA, was die räumliche Abdeckung und die Zugänglichkeit der Daten enorm einschränkte. Ab 1975 war es dann auch anderen Ländern möglich, Zugang zu den Daten zu erhalten und sie konnten autonom Informationen über ihre jeweilige Region sammeln. Dies ermöglichte einerseits eine größere räumliche Nutzung der Satellitenbilder, andererseits verursachte diese nationale Herangehensweise eine Zerstreuung der Daten über zahlreiche Archive. Erst 2010 begann die Landsat Global Archive Consolidation damit, so viele Szenen wie möglich in einer globalen Sammlung zusammenzufassen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Immer noch werden die mehr als 5 Millionen Landsat-Aufnahmen, die in den letzten 50 Jahren entstanden, gesammelt und auf einer Plattform zur Verfügung gestellt.

Mein persönlicher Zugang zu diesem Datenschatz begann im Januar 2003, als ich an meiner Masterarbeit arbeitete, um das Universitätsstudium der Agrarwissenschaften und -technologien in Neapel abzuschließen. Meine Aufgabe bestand in der Analyse von Satellitenbilddaten zur Untersuchung des Wasserverbrauchs für Bewässerungsanlagen in Orangenplantagen in Sizilien. Die Landsat-Empfangsstationen für meine Region wurden von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) betrieben und befanden sich in Fucino und Matera in Italien und in Kiruna in Schweden.

Um neue Bilddaten anzufordern, mussten wir eine Bestellung bei der ESA aufgeben. Einige Wochen später erhielten wir dann eine CD-ROM mit den Bilddateien. Der Tag, an dem die CD-ROM in unserem Labor ankam, war immer ein aufregender Moment; man öffnete das Paket, nahm die CD-ROM und lud die Rohbilddateien, um die Qualität und den Informationsgehalt zu prüfen. Dann begann erst die eigentliche Vorverarbeitung und Interpretation. Ich war eine studentische Hilfskraft und diese aufregenden ersten Erfahrungen gaben eine klare Richtung für meinen zukünftigen wissenschaftlichen Berufsweg in der Fernerkundung vor.

Einige Zeit später wurden die Daten per FTP über das Internet geliefert. Wir konnten die Bilddateien wenige Tage nach den Satellitenaufnahmen herunterladen und fast in Echtzeit analysieren. Ende 2003 lautete eine der Schlussbemerkungen meiner Masterarbeit: "Die Fernerkundung mittels Satelliten ist eine Technologie, die geeignet ist, um operationelle Dienste für das Wassermanagement bereitzustellen". Wir diskutierten bereits über Möglichkeiten, die Ergebnisse unserer Datenanalyse zu nutzen, um WassermanagerInnen und LandwirtInnen in ihrem Entscheidungsprozess zu unterstützen. Ich war sehr ungeduldig und hoffte auf eine baldige Umsetzung.

Die technologische Lücke begann sich zu schließen, aber sie war immer noch zu groß für manch praktische Anwendung. Mein Vorgesetzter, der in den 1990er Jahren studiert hatte, erinnerte mich an seine Erfahrungen: Nur zehn Jahre zuvor, als Internet- und Web-Technologien noch in den Kinderschuhen steckten – es war z.B. keine Datenvorschau verfügbar - basierte die Bestellung rein auf der Position des Satelliten und die tatsächliche Bewölkung war eine "Überraschung in letzter Minute" vor der Bestellung des Bildes. Sobald er die großen Magnetbänder erhalten hatte, musste er in ein spezialisiertes Rechenzentrum reisen, um die Daten auszulesen und es waren teure Drucker erforderlich, um farbige Bilder zu visualisieren.

Im Jahr 2005 (unter Verwendung eines der ersten 3G-Smartphones - des NOKIA 6633) entwickelten wir einen Verarbeitungsprozess, der grafische Berichts- und Textdaten generierte, die wir wöchentlich per MMS und SMS an die LandwirtInnen verschickten. Deren Rückmeldungen war immer sehr nützlich und half uns, die Entwicklungen voranzutreiben. 

Seitdem ist die Verfügbarkeit an operationellen Diensten, die satellitengestützte Informationen nutzen, zur Unterstützung der LandwirtInnen stark gestiegen und ich bin stolz darauf, Teil dieser kleinen Revolution im digitalen Zeitalter gewesen zu sein.

Ich erkenne mindestens drei wesentliche Paradigmenwechsel, die dies möglich gemacht haben: Erstens, die Verfügbarkeit von gratis zugänglichen Satellitendaten ab 2008. Mit der Öffnung des Landsat-Datenarchivs hat sich die Datennutzung um das 20-fache erhöht und damit die Entwicklung und Verfügbarkeit von Open-Source-Softwarelösungen. Zweitens, die Entwicklung des Internets und der Informationstechnologien, die die Erforschung von und den Zugang zu Datenarchiven ermöglicht haben. Und schließlich die Sentinel-Mission der Europäischen Kommission, die einen Game Changer in Bezug auf Qualität und Verfügbarkeit von Satellitendaten darstellt. Endlich ist es möglich, sich auf die Nutzbarkeit von Informationen, statt auf den Verfügbarkeit der Daten und die Vorverarbeitung zu konzentrieren.

Da die meisten Sentinel-Satelliten bereits in Betrieb sind, wächst das Volumen der täglich neu erfassten Fernerkundungsdaten mit beeindruckender Geschwindigkeit. So liefert beispielsweise allein die optische Sentinel-2-Mission täglich über vier Terabyte an neuen Bilddaten. Schnelle Internetverbindungen reichen nicht mehr aus, um die Daten herunterzuladen und lokal zu verarbeiten. Ende des Jahres 2015 lieferten uns die Satelliten bereits mehr Informationen, als wir vor Ort mit unserer Infrastruktur sammeln und analysieren konnten. Eine neue Umstellung war notwendig, und wir gingen zum Cloud Processing über: Wir nutzten unsere Algorithmen für die Entwicklung der ersten Datenservice-Plattform für die Bereitstellung von Sentinel-2-Mehrwertprodukten, die speziell für die Überwachung von Vegetation und Biomasse entwickelt wurden. Diese Plattform läuft im Erdbeobachtungsdatenzentrum (EODC), das 2016 von mehreren österreichischen Institutionen und privaten Unternehmen, die sich voll und ganz auf das Sammeln, Archivieren und Warten von großen Daten spezialisiert haben, finanziert wurde. Darauf aufbauend haben wir weitere Datensätze und Dienste erstellt, die in anderen Projekten genutzt werden, wie z.B. in LANDSUPPORT für das Landmanagement im europäischen Kontext (https://www.landsupport.eu/) oder in COALA für das Bewässerungs- und Düngemittelmanagement in Australien (https://www.coalaproject.eu/).  

Wir haben in den letzten 18 Jahren an dieser digitalen Revolution teilgenommen und zur Entwicklung einer Reihe neuer Konzepte und innovativer Produkte beigetragen. Der Begriff "Precision Farming" hielt Einzug in unser tägliches Vokabular, und es sind viele Aktivitäten im Gange. Wir hoffen, dass die LandwirtInnen Satellitendaten für die Bewirtschaftung ihrer Felder ebenso selbstverständlich nutzen werden wie es bei Karten und GPS-Technologien mittels Smartphones bereits in der breiten Bevölkerung üblich ist. Ich bin positiv gestimmt, und ich freue mich darauf, zu erleben, wie diese digitale Revolution die EndverbraucherInnen erreicht.

Francesco Vuolo

I would like to thank Guido D´Urso, Werner Schneider, Laura Essl, Markus Immitzer and Clement Atzberger for providing valuable comments and information. 

HP minicomputer system

Image credit: ESO/José Francisco (josefrancisco.org)

Der HP-Minicomputer (1984), der in den frühen 1980er Jahren zum Lesen und Verarbeiten großer Datensätze verwendet wurde. Der am Institut für Geomatik der BOKU eingesetzte HP-Minicomputer war das Modell 1000 A900. Dieser basierte auf dem neuen "Magic"-Prozessor und wurde zusammen mit einem Grinnell-Bildverarbeitungsrechner (GMR 275) eingesetzt. Der "Magic"-Prozessor enthielt einen Pipeline-Datenpfad (welcher die Parallelität auf Instruktionsebene in einem einzigen Prozessor implementierte) und führte 3 Millionen Instruktionen pro Sekunde (MIPS) aus. Zum Vergleich: Moderne Computerprozessoren führen heute mehr als 2.000.000 MIPS aus. Zu dieser Zeit war der 1000 A900 jedoch der schnellste Minicomputer der Welt. Den Daten des HP-Museums zufolge war der Computer so schnell, dass spezielle Ausfuhrbeschränkungen der US-Regierung auferlegt wurden. Nur 16 Länder hatten direkten Zugang zu dieser Technologie, alle anderen Länder benötigten eine individuelle Bewertung, um eine Lizenz zu erhalten. Das Institut für Geomatik verfügte über das erste System dieser Art in Österreich, und es dauerte ein Jahr, es einzurichten.

Computer boards of the Grinnell GMR 275 image processing system (Image credit Institute of Geomatics, Francesco Vuolo)

HP minicomputer 1000 A900 - tape reader (Image credit Institute of Geomatics)

Wide magnetic tapes: 9 track tape (12.7 mm), 6250 CPI density could store up to 175MB on a standard 730 m long tape (Image credit Institute of Geomatics)

Landsat TM 5 1984 image data on a magnetic tape (Image credit Institute of Geomatics)

Wide magnetic tape collection (Image credit Institute of Geomatics)

Wide magnetic tape collection (Image credit Institute of Geomatics)

Weiterführende Links

Our projects, services and partners in digital farming

COALA : Smart irrigation and fertilisation in Australia

LANDSUPPORT : Copernicus Sentinel-1 and Sentinel-2 data to support land management

Sentinel-2 processing portal : our Sentinel-2 clould processing platform 

www.eo4water.com : our smart farming solution for Austria, FFG ASAP

Neptun Wasserpreis WasserFORSCHT

EODC : our cloud processing infrastructure in Austria

Kontaktperson

Francesco Vuolo, Dr.

Stellvertreter
H85700 Institut für Geomatik

Email
francesco.vuolo@boku.ac.at
Telefon
+43 1 47654-85735
Postadresse
Institut für Geomatik
Peter-Jordan-Straße 82
1190 Wien