Viertausend Jahre altes Dörrobst in jungsteinzeitlicher Abfallgrube entdeckt.

Archäobotanikerin Prof. Marianne Kohler-Schneider mit dem 4000 Jahre alten Äpfelchen (c) BOKU ÖA/Jakob Vegh

Rechtzeitig zum „Tag des Apfels“ melden die Universität für Bodenkultur Wien und die Stadtarchäologie Wien einen sensationellen Fund aus Oberlaa: Bei der Ausgrabung einer jungsteinzeitlichen Siedlung in der Grundäckergasse konnten die verkohlten Reste eines Wildapfels geborgen werden. Die bäuerliche Siedlung stammt aus der Zeit um 2.400 v. Chr. Es handelt sich damit um den ältesten Nachweis eines Apfels auf Wiener Boden. Und nicht nur das: die Fundumstände zeigen, dass dieser Wildapfel gezielt aus den umliegenden Wäldern in die Siedlung gebracht worden ist und wahrscheinlich als Wintervorrat eingelagert wurde.

„Der Apfel ist halbiert und offensichtlich gedörrt worden“, erklärt Marianne Kohler-Schneider, die sich als Archäobotanikerin an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) seit vielen Jahren mit Pflanzenresten aus archäologischen Ausgrabungen befasst. „Wir kennen ähnliche Funde aus der Schweiz, wo halbierte Wildäpfelchen auf Bastschnüren aufgefädelt waren und als luftgetrocknetes Dörrobst gespeichert wurden. Wildäpfel waren in der Jungsteinzeit begehrte Sammelpflanzen und dienten als unersetzliche Vitaminlieferanten in den Wintermonaten. Das Oberlaaer Äpfelchen könnte auch auf einer Darre getrocknet worden sein, dürfte dabei ins Feuer gefallen sein und wurde anschließend in einer Abfallgrube entsorgt, in der es nach viertausend Jahren von uns entdeckt wurde“, so Kohler-Schneider.

Der Apfel-Fund, verkohlte Getreidekörner und Tierknochen geben einen interessanten Einblick die Lebensgrundlagen der jungsteinzeitlichen Siedler von Oberlaa: „Neben dem Ackerbau, der sich auf Getreide wie Einkorn, Emmer und Gerste sowie auf Hülsenfrüchte stützt, spielte auch die Haltung von Rindern, Schweinen sowie Schafen bzw. Ziegen eine große Rolle“, erklärt  Martin Penz, Archäologe der Stadtarchäologie Wien und Grabungsleiter der Oberlaaer Ausgrabung.  „Außerdem wurde in der Siedlung auch dem Textilhandwerk mit Spinnen und Weben nachgegangen. Wirtschaftlich und kulturell scheinen die jungsteinzeitlichen Bauern von Oberlaa Beziehungen vor allem ins Karpatenbecken gehabt zu haben, wie uns die Keramikfunde zeigen“.

Bei dem gefundenen Apfel handelt es sich mit Sicherheit um einen Europäischen Wildapfel (Malus sylvestris), denn die Vorfahren unser modernen Kulturäpfel – und damit der systematische Obstbau – erreichten erst Jahrtausende später Mitteleuropa. Kulturäpfel stammen aus Mittelasien und gehen auf eine dortige Wildapfelart, den Altai-Apfel (Malus sieversii) zurück, in den wahrscheinlich auch andere Wildäpfel wie der Kaukasus-Wildapfel (Malus caucasica) und der Europäische Wildapfel eingekreuzt wurden. In den wärmeliebenden Eichwäldern und in den Auwäldern Ostösterreichs waren Europäische Wildäpfel in der Jungsteinzeit weit verbreitet, der Oberlaaer Apfel dürfte in den Wäldern geerntet worden sein, die damals den Laaer Berg und das Tal des Liesingbaches bedeckt haben.


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a.o. Univ.-Prof. Dr. Marianne Kohler-Schneider
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