Eine durch langanhaltende, intensive Trockenheit ausgelöste Massenvermehrung des Buchdruckers (Ips typographus) an der Fichte hat seit 2015 ausgedehnte Waldflächen im Wald- und Mühlviertel und in angrenzenden Gebieten Tschechiens zum Absterben gebracht und große Kahlschläge zur Aufarbeitung der befallenen Bäume notwendig gemacht. © Elisabeth Gerhardt

BOKU-Forscher*innen haben im INTERREG-Projekt FORRISK gemeinsam mit heimischen und tschechischen Kolleg*innen ein frei zugängliches Tool für Wissens- und Informationsaustausch entwickelt.

Wie sieht es mit den Wäldern im Mühl- und Waldviertel und in der Grenzregion zur Tschechischen Republik aus und welche Entwicklungen sind in Zukunft zu erwarten? Welche Verbesserungen in der forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung und welches Risikomanagement sind notwendig?

Diesen und weiteren Fragen ist das grenzüberschreitende österreich-tschechische INTERREG-Projekt FORRISK unter der Leitung des Instituts für Waldbau der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) in Zusammenarbeit mit zwei weiteren Instituten der BOKU (Institut für Forstentomologie, -pathologie und -schutz IFFF; Institut für Geomatik) sowie der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen (BAB) und der tschechischen Universität MENDELU in Brünn in den vergangenen beiden Jahren nachgegangen.

Bekannte und neuartige Schädlinge

In den letzten Jahrzehnten zeigten sich bereits ein deutlicher Temperaturanstieg und Niederschlagsdefizite, extreme Witterungsereignisse wie Stürme, Nassschnee und Dürre nahmen zu. Aber auch bekannte und neuartige Schadinsekten und Krankheitserreger gefährden zunehmend die Waldbestände. Die jahrzehntelang forcierte Bewirtschaftung von Fichten- und Kiefernreinbeständen im Kahlschlagsystem zeigt sich in diesem Zusammenhang als ökologisch und ökonomisch sehr risikoanfällig. „Durch die extrem trockenen und heißen Jahre zwischen 2015 und 2018 haben die Schäden durch Borkenkäfer, vor allem durch den Buchdrucker (Ips typographus) an Fichten, ungeahnte Ausmaße erreicht. Das hat Waldbesitzer*innen, Behörden und Interessenvertreter*innen vor große Probleme gestellt“, sagt Thomas Kirisits, Leiter des IFFF an der BOKU. Dadurch ergaben sich große Herausforderungen im Bereich Forstschutz, Holzernte, -logistik und -vermarktung sowie Wiederaufforstung.

Es wurden daher in einigen Forstbetrieben Versuchsflächen angelegt, um die Erkenntnisse und Erfahrungen bezüglich Wiederaufforstungs- und Waldumbaumaßnahmen zu verbessern. Diese Datengrundlagen wurden nun durch Eduard Hochbichler vom Institut für Waldbau und das Projektteam neu bewertet, der Wissensstand über verschiedene Bewirtschaftungsstrategien auf betrieblicher Ebene sowie Strategien für das Risikomanagement mit dem tschechischen Kolleg*innen diskutiert und im Anschluss gemeinsame Empfehlungen erarbeitet.

Plattform steht allen Interessierten offen

Diese werden künftig allen Interessierten auf einer grenzüberschreitenden, frei zugänglichen Frühwarnplattform (https://short.boku.ac.at/forrisk) mit wichtigen Hinweisen und Erkenntnissen aus dem Projekt für eine nachhaltige und multifunktionale Forstwirtschaft zur Verfügung stehen. „Die Plattform wird ein wesentliches grenzüberschreitendes Kommunikationstool sein“, betont Elisabeth Gerhardt, Mitarbeiterin am Institut für Waldbau und Koordinatorin des FORRISK-Projektes auf österreichischer Seite.

Aufbauend auf einem intensiven grenzüberschreitenden Informations- und Wissensaustausch zwischen Wissenschaft, Waldbesitzer*innen, Forstpraktiker*innen, Behördenvertreter*innen, politischen Entscheidungsträger*innen und der Öffentlichkeit wurde zudem ein umfassendes Handbuch für ein integriertes Krisen- und Risikomanagement verfasst. Dieses beinhaltet Empfehlungen zum Forstschutz, für die zukünftige Waldbewirtschaftung und Baumartenwahl beziehungsweise Baumartenmischung bei Wiederaufforstungen oder Verjüngungsmaßnahmen und zur Pflege unterschiedlich alter Bestände.

Angepasste Baumbestände

Gleichaltrige, homogene, instabile Nadelbaumreinbestände auf ungeeigneten Standorten, die derzeit im Projektgebiet dominieren, sollen in Zukunft durch klimafitte, resistentere und resilientere Laubbaum- oder gemischte Laub-Nadelbaum-Bestände ersetzt werden. Bei der Planung und Durchführung einer geänderten Waldbewirtschaftung können nach Markus Immitzer, stellvertretender Leiter des Instituts für Geomatik, auch GIS-basierte Herangehensweisen wertvolle Unterstützung leisten.

Weitere Details zu dem INTERREG-Projekt:

www.at-cz.eu/forrisk

Autor*innenteam Österreich:

BOKU: Elisabeth Gerhardt, Eduard Hochbichler, Zoran Trailovic (Institut für Waldbau); Peter Baier, Thomas Kirisits, Sigrid Netherer (Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz); Markus Immitzer (Institut für Geomatik)

BAB: Gerhard Gahleitner, Karin Heinschink, Thomas Resl

Wissenschaftlicher Kontakt:

Ao. Univ.Prof. DI Dr. Eduard Hochbichler
eduard.hochbichler(at)boku.ac.at

DIin Elisabeth Gerhardt
elisbeth.gerhardt(at)boku.ac.at
Institut für Waldbau
Universität für Bodenkultur Wien

Foto-Download unter:

https://bokubox.boku.ac.at/#cbc12dae375795eebed76544e6c7708f

 

Adulter Käfer (Größe zirka fünf Millimeter) und Brutsystem des Buchdruckers (Ips typographus) in der Rinde einer Fichte. Ein Massenbefall der Borkenkäfer führt zur Zerstörung des Bastes eines Baumes (der dem Nährstofftransport von der Baumkrone bis zur Wurzel dient) und zu dessen Absterben. © Peter Baier

Bei mehreren grenzüberschreitenden Treffen von Wissenschaftler*innen und Stakeholdern/Praktike*:innen aus Österreich und Tschechien wurden walbauliche Demonstrationsflächen besichtigt und Strategien zur Bewältigung der Schäden und für eine zukunftsweisende Waldbewirtschaftung diskutiert. © Elisabeth Gerhardt

Ein Nadel-Laubbaum-Mischbestand im nördlichen Mühlviertel weist den Weg, wie klimafitte Wälder der Zukunft aussehen sollten: Stabile Mischbestände mehrerer Baumarten, mehrschichtig und kleinflächig strukturiert, möglichst ungleichaltrig und mit natürlich verjüngten Bäumen in der Unterschicht. © Forstgut Rosenhof