Viel Rot und großer Handlungsbedarf: so das Update 2021 des Barometers zur Biodiversitätspolitik in Österreich.

Die Krise des Biodiversitätsverlustes hat nicht an Dynamik verloren: Die Vielfalt der Arten und Ökosysteme nimmt weltweit und insbesondere auch in Österreich weiterhin drastisch ab, eine Trendumkehr ist noch in weiter Ferne. Vor diesem Hintergrund hat der Österreichische Biodiversitätsrat die Pläne der Regierung daraufhin untersucht, ob diese das Artensterben und den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten können.

Im Rahmen des jährlichen „Forums Biodiversität und Ökosystemleistungen“ präsentierte der Österreichische Biodiversitätsrat am Freitag, den 4. Dezember, das „Barometer Biodiversitätspolitik in Österreich“: In insgesamt 18 Punkten analysierten die Expert*innen die politischen Pläne, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Zwar enthalte das Regierungsprogramm erstmals das Kapitel „Artenvielfalt erhalten – Natur schützen”, dennoch zeige das Barometer nur vereinzelte Verbesserungen: Vorhaben wie die ökosoziale Steuerreform oder der Biodiversitätsfonds würden zwar in die richtige Richtung weisen, seien aber noch zu wenig ambitioniert, lautet der Befund. „Die bisherigen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus“, fasst es Alice Vadrot, Politikwissenschafterin an der Uni Wien und Mitglied des Leitungsteams, zusammen. „Wie bei COVID-19 geht es auch beim Biodiversitätsverlust darum, Möglichkeitsfenster zu nutzen. Wir müssen jetzt ambitioniert gegensteuern, um diese Kurve abzuflachen“, so Vadrot.

Mindestens eine Milliarde Euro nötig

So ist der Biodiversitätsfonds bisher nur mit 5 Millionen Euro dotiert; aus Sicht des Biodiversitätsrates ist jedoch mindestens eine Milliarde Euro jährlich nötig, um das Funktionieren der Ökosysteme zu sichern und den Verlust an Biodiversität zu bremsen, „und auch das ist auf Basis einiger Studien sehr knapp bemessen“, erklärte Franz Essl, Ökologe an der Universität Wien, und Mitglied des Leitungsteams des Biodiversitätsrates. „Bei Themen wie dem Flächenverbrauch oder der Industrialisierung der Landwirtschaft kann von einer Trendumkehr keine Rede sein“, ergänzt Christian Sturmbauer von der Universität Graz, ebenfalls Teil des Leitungsteams. Zudem fordert der Biodiversitätsrat, dass die Auswirkungen von Investitionen und Gesetzen auf die Biodiversität überprüft werden. Beim Klima-Check ist dies ja bereits gelungen.

BOKU-Beteiligung

Biodiversität ist für die Universität für Bodenkultur Wien ein zentrales Forschungsthema. Die BOKU-Forscher*innen Veronika Gaube und Thomas Hein sehen ihre Aufgabe als Mitglieder des Biodiversitätsrates darin „an der Entwicklung von konkreten Vorschlägen zur Bewältigung der Biodiversitätskrise mitzuarbeiten“. Harald Meimberg stärkt diese Initiativen als BOKU-Professor für Biodiversitätsforschung.  „Zusätzlich braucht es den Austausch mit den Praktiker*innen, um konkrete nächste Schritte zur Änderung des Umgangs mit Biodiversität zu entwickeln und zu verhandeln“, erklärt Veronika Gaube vom Institut für Soziale Ökologie. Thomas Hein vom Institut für Hydrobiologie betont, dass Gewässer sehr stark vom Biodiversitätsverlust betroffen sind: „Dies trifft auch in großem Maße auf Gewässer in Österreich zu. Unsere Gewässer brauchen entschiedene und rasche Maßnahmen, um sie langfristig zu erhalten.“

Das Barometer wurde im Rahmen des 3. Österreichischen Forums zu Biodiversität und Ökosystemleistungen präsentiert, das unter dem Thema „#FlattenTheCurve der Biodiversitätskrise!“ stand. Das Forum fand heuer erstmals gemeinsam mit der Initiative „Austrian Barcode of Life“ (ABOL) im Rahmen der „Tage der Biodiversität“ als Online-Konferenz mit über 250 Teilnehmer*innen statt.

Der unabhängige Biodiversitätsrat des Netzwerks Biodiversität Österreich setzt sich aus 21 Expert*innen unterschiedlicher Fachdisziplinen sowie Institutionen aus Wissenschaft und Praxis zusammen. Ziel des Biodiversitätsrates ist es, das Ausmaß und vor allem die Folgen des Biodiversitätsverlusts in Österreich sowie wissenschaftlich fundierte Lösungsansätze aufzuzeigen. Der Rat konstituierte sich im April 2019; im Juli 2019 wurde ein sechsköpfiges Leitungsteam gewählt.

Das Netzwerk Biodiversität Österreich versteht sich als Open Community, interdisziplinär für die unterschiedlichsten Fachdisziplinen und transdisziplinär für Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, NGOs und Zivilgesellschaft. Gemeinsames Ziel ist die Stärkung der Biodiversität und deren Ökosystemleistungen in Österreich. Alle, die dieses Ziel unterstützen, sind herzlich eingeladen, im Netzwerk mitzuwirken und das Memorandum of Understanding zu unterzeichnen.

http://biodiversityaustria.at