Die letzten Störarten bewahren und ihre Lebensräume schützen – das sind die Ziele des EU-Projekts mit nationalen und internationalen Partner*innen unter der Leitung der BOKU.

Umgebaut zu einer schwimmenden Aufzuchtstation wird der MS Negrelli künftig Mutter- und Jungfischen der stark bedrohten Donaustöre ein geschütztes Zuhause bieten und ihnen den Start ins Leben erleichtern. Credit: Tb Anzböck

Umgebaut zu einer schwimmenden Aufzuchtstation wird der MS Negrelli künftig Mutter- und Jungfischen der stark bedrohten Donaustöre ein geschütztes Zuhause bieten und ihnen den Start ins Leben erleichtern. Credit: Tb Anzböck

Störe leben seit mehr als 200 Millionen Jahren auf der Erde. Sie sind die am stärksten bedrohte Tierfamilie der Welt. Die Menschheit hat sie in nur 200 Jahren an den Rand des Aussterbens gebracht. Das soll sich in der Donau nun mit dem EU-Projekt LIFE-Boat 4 Sturgeon ändern. Ziel des Projektes: Die letzten Störarten bewahren und ihre Lebensräume schützen. Jetzt beginnen die Vorarbeiten.

Rettungsmaßnahmen für vier Störarten

In Europa sind alle Störarten vom Aussterben bedroht. Auch in der Donau sind bereits zwei von sechs Arten nicht mehr vorhanden. Die verbleibenden vier Arten können sich aus eigener Kraft nicht erholen. Mit dem EU-Projekt LIFE-Boat 4 Sturgeon starten das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, viadonau, die Stadt Wien sowie Institutionen aus Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Slowakei und Ukraine unter der Leitung der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) Rettungsmaßnahmen: „Ziel ist es, bis 2030 die Störarten Sterlet, Waxdick, Sternhausen und Hausen durch eine Reihe von Maßnahmen vor dem Aussterben zu bewahren“, so Wasserminister Norbert Totschnig und ergänzt: „Wir investieren laufend in die Renaturierung von Gewässerräumen. Auch die Qualität der Donau und ihrer Lebewesen wird ständig kontrolliert und mit innovativen Projekten verbessert. Störe reagieren sehr empfindlich auf Umwelteinflüsse und sind daher Indikatoren für ein gesundes Flusssystem. Es ist unsere Pflicht, diese faszinierenden Lebewesen für künftige Generationen zu erhalten. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft leistet deshalb mit einer Unterstützung von einer Million Euro einen maßgeblichen Beitrag zur Umsetzung dieses wichtigen Projekts.“

Eine wichtige Maßnahme ist der Aufbau einer schwimmenden Fischaufzuchtstation an der Donau in Wien. viadonau stellt das ehemalige Steintransportschiff MS Negrelli, die Fachabteilung Stadt Wien – Wiener Gewässer den Liegeplatz am donauseitigen Ufer der Donauinsel.

„Das neue EU-Projekt LIFE-Boat 4 Sturgeon ist der nächste große Schritt zum Schutz von bedrohten Störarten in der Donau. Das Vorgängerprojekt zum Schutz des Sterlets in der Donau ist eine echte Erfolgsgeschichte. Über 240.000 Tiere wurden auf der Inselinfo in einem Aufzuchtcontainer aufgezogen und ausgewildert. Ich freu mich sehr, dass diese spannende Arbeit fortgeführt wird. Die Stadt Wien setzt sich als Projektpartnerin gerne wieder für den Erhalt dieser faszinierenden Lebewesen und ihrer Lebensräume ein“, betont die für die Wiener Gewässer zuständige Stadträtin Ulli Sima.

Schwimmende Aufzuchtstation am Donauufer

Innerhalb der Projektlaufzeit sollen bis 2030 etwa 1,6 Millionen Störe auf dem Schiff nachgezüchtet und Jungtiere in unterschiedliche Donauabschnitte ausgewildert werden und somit zum Erhalt der genetischen Vielfalt beitragen. Die Planungen für den Umbau des Schiffs haben bereits begonnen und erste 3D-Modelle der schwimmenden Aufzuchtstation liegen vor.

Die im Vorgängerprojekt errichtete und betriebene Sterlet-Aufzuchtstation auf der Donauinsel wurde Mitte April 2023 wieder in Betrieb genommen. Die ersten Sterlet-Eier befinden sich bereits in den Erbrütungsgläsern und werden in den nächsten Wochen schlüpfen. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, die stark gefährdete Population dieser letzten in Österreich noch natürlich vorkommenden Störart maßgeblich zu unterstützen. Damit kann sich eine selbstreproduzierende Population ausbilden. „Unser gemeinsames Ziel ist es, den einzigartigen Lebensraum an der Donau zu erhalten und zu schützen. Wenn wir sehen, dass Tierarten vor dem Aussterben stehen, braucht es unser entschlossenes Handeln. Ich freue mich, dass im Zuge dieses breit angelegten Projekts alles unternommen wird, um vier Störarten das Überleben zu sichern", so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Genetische Vielfalt als Schlüssel zum Erfolg

Um die genetische Diversität der Elterntiere für die Nachzucht zu sichern, werden vor Anschaffung der Fische Genproben genommen und auf Herkunft und Verwandtschaftsverhältnisse getestet. Mithilfe einer Genetik-Datenbank möchte das Stör-Projektteam einen diversen Genpool aufbauen. „Mit der schwimmenden Aufzuchtstation wollen wir einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Störe und zur Erhaltung der genetischen Vielfalt leisten", so Projektleiter Thomas Friedrich von der Universität für Bodenkultur Wien.

Das Projekt läuft bis 2029, das Projektvolumen beträgt insgesamt 11,8 Mio. Euro, wovon 67 Prozent das EU-Programm LIFE übernimmt. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft und viadonau tragen jeweils 1 Million Euro zur Kofinanzierung bei, die Stadt Wien unterstützt mit 500.000 Euro. Weitere Beiträge kommen unter anderem von den Landesfischereiverbänden aus Niederösterreich, Oberösterreich und Wien sowie vom Nationalpark Donauauen.

Alle Rettungsmaßnahmen auf einen Blick

1. Errichtung des „LIFE-Boat 4 Sturgeon", einer schwimmenden Aufzuchtstation in der Donau nahe der Reichsbrücke am donauseitigen Ufer der Donauinsel, zur Haltung von Mutterfischen und zur Aufzucht von Jungtieren. Aufbau einer Einrichtung für die Haltung von Muttertieren am Koros (Ungarn) zur Risikominimierung und eines Aufzuchtcontainers am Ufer der Mur (Slowenien).

2. Aufbau von genetisch vielfältigen und donaustämmigen Muttertierbeständen.

3. Reproduktion, Aufzucht und Auswilderung von Jungfischen nach dem neuesten Stand der Technik mit Prägung auf das Gewässer und Fokus auf Überlebensfähigkeit in freier Wildbahn.

4. Schutz der Restbestände und ausgewilderten Jungfische in der Unteren Donau und dem Schwarzen Meer durch intensive Zusammenarbeit mit Fischereibehörden und Bewusstseinsbildung in Fischerdörfern vor Ort.

5. Einführung eines standardisierten Monitoringprogramms in allen Projektstaaten mittels Umwelt-DNA und Markierungen, um die Populationsentwicklung und den Erfolg der Auswilderungsmaßnahmen zu überwachen.

6. Breite Öffentlichkeitsarbeit zum Projekt, um das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit für die Wichtigkeit gesunder Flussökosysteme und Tierarten wie Störe deutlich zu erhöhen.

Weitere Infos unter https://lb4sturgeon.eu/

Fotos
https://bokubox.boku.ac.at/#1af461a67ea54dd34bd849990405915f
Bildunterschrift Foto 1: Umgebaut zu einer schwimmenden Aufzuchtstation wird der MS Negrelli künftig Mutter- und Jungfischen der stark bedrohten Donaustöre ein geschütztes Zuhause bieten und ihnen den Start ins Leben erleichtern. Credit: Tb Anzböck
Bildunterschrift Foto 2: Projektleiter Thomas Friedrich implantiert dem Stör einen Chip zur Markierung. Credit: BOKU-IHG

Rückfragen & Kontakt:

Thomas Friedrich
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Hydrobiologie
Telefon: +43 650 4507428
E-Mail: lb4s@boku.ac.at