(c) Pixabay

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Das gute Gefühl, wenn wir ganz in einer Aufgabe aufgehen und alles um uns herum vergessen, nennt man Flow. BOKU-Forscherin Sara Hintze hat nun gemeinsam mit einem Kollegen eine konzeptionelle Studie im Fachjournal „Biological Reviews“ veröffentlicht, die sich der Frage widmet, ob auch Tiere diesen Zustand, in dem sich alles stimmig anfühlt, erleben können?

Wir alle kennen sie: Momente, in denen wir so sehr in einer Tätigkeit aufgehen, dass wir alles um uns herum vergessen. Wir konzentrieren uns völlig auf unsere Aufgabe, werden eins mit ihr, vergessen Sorgen und Ängste. Kurzum, es fühlt sich alles stimmig an. Dieser Zustand wird umgangssprachlich als „Flow“ bezeichnet. Viele Leistungssportler*innen erleben ihn, zum Beispiel beim Tanzen, Surfen oder Klettern und auch Chirurg*innen kennen das gute Gefühl, wenn sie eine OP herausfordert und trotzdem „alles läuft“.

Aber auch alltäglichere Tätigkeiten wie das Lösen von Mathe-Aufgaben oder Rätseln können Flow auslösen. Das passiert immer dann, wenn die Schwierigkeit der Aufgabe, die es zu lösen gilt, genau zu unseren Fähigkeiten passt: Wenn die Aufgabe zu einfach ist, langweilen wir uns, ist sie dagegen zu schwierig, sind wir frustriert. Werden wir aber herausgefordert und es gelingt uns, Schritt für Schritt die Aufgabe zu bewältigen, dann erleben wir Flow. Flow ist ein gutes Erlebnis, etwas, was uns guttut. Das weiß auch die Psychologie und so gibt es Kurse und Coachings, um mehr Flow zu erleben.

Flow auch bei Schwein, Kuh und Schaf?

Ob auch Tiere Flow erleben, ist bisher unbekannt. „Flow im Tierreich hat bisher keine Beachtung geschenkt bekommen“, sagt Sara Hintze vom Institut für Nutztierwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien. Sie und ihr Kollege Jason Yee haben in einer vor kurzem im Fachjournal Biological Reviews erschienenen konzeptionellen Studie das Thema Flow bei Tieren zum ersten Mal beleuchtet. „Der Gedanke, dass auch Tiere Flow erleben können, hat uns beide gefesselt“, sagt Hintze. „Wenn wir Tieren die Möglichkeit geben, Flow zu erleben, können wir dann die Lebensqualität von landwirtschaftlich genutzten Tieren wie Schwein, Rind oder Huhn verbessern?“ Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Tierwohl und einer verbesserten Lebensqualität von Tieren in menschlicher Obhut.

Wenn sie doch nur sprechen könnten

Doch wie immer, wenn es um das Gefühlsleben von Tieren geht, stehen wir vor der Herausforderung, dass uns die Sprache als Kommunikationsmittel fehlt. Während die Forschung zu Flow bei Menschen fast ausschließlich auf Interviews beruht, können wir Tiere nicht einfach fragen, ob und wann sie Flow erleben und wie es sich dann anfühlt. „In unserer Arbeit haben wir alle vom Menschen bekannten Flow-Charakteristika zusammengetragen und sind sie einzeln durchgegangen: Welche der Charakteristika könnte man wie verwenden, um Flow bei Tieren auszulösen und nachzuweisen?“

Vergeht die Zeit wie im Flug?

Zwei Flow-Charakteristika schlagen Hintze und Yee als Ansatz für die Flow-Forschung im Tierreich vor. Wenn wir Flow erleben, fokussieren wir uns so auf unsere Aufgabe, dass wir uns durch nichts ablenken lassen. Wie sehr sich Tiere von einer ihnen gestellten Aufgabe ablenken lassen, kann man recht leicht herausfinden: Reagieren sie auf kleine Ablenkungen, wie ein Geräusch, auf stärkere, wie ihr Lieblingsfutter, oder womöglich gar nicht, weil sie so in ihre Aufgabe vertieft sind?

Neben der reduzierten Wahrscheinlichkeit, sich ablenken zu lassen, wissen wir auch, dass die Zeit wie im Flug vergeht, wenn wir im Flow sind. Dass die Zeitwahrnehmung von Tieren untersucht werden kann, konnte Hintze bereits bei Schweinen zeigen. Dazu lernen die Schweine, zu der rechten von zwei Klappen zu gehen, wenn ein kurzer Ton ertönt, um dort eine Futterbelohnung zu erhalten. Wenn hingegen ein langer Ton abgespielt wird, gibt es die Belohnung nur hinter der linken Klappe. Haben die Tiere das gelernt, wird ein Ton mittlerer Länge abgespielt. Zu welcher Klappe wird das Schwein gehen? „Hat ein Schwein Flow erlebt, so sollte es zu rechten Klappe gehen, weil die Zeit für es wie im Flug vergangen ist und es die Zeit des Tones als eher kurz einschätzt. Hat das Schwein hingegen vorher keinen Flow erlebt, so sollte es die Dauer des Tones eher als lang einstufen und entsprechend nach links gehen“.

Flow als Teil eines guten Lebens – auch für Tiere

Die kürzlich erschienene theoretische Studie ist ein wichtiger erster Schritt für die praktische Erforschung von Flow bei Tieren. Mit den steigenden Anforderungen unserer Gesellschaft an bessere Haltungsbedingungen, unter denen die Tiere nicht nur nicht leiden, sondern auch ein gutes Leben haben, stellt sich die Frage, was ein gutes Leben eigentlich ausmacht. Die Erforschung von Flow im Tierreich könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Link zur Studie:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/brv.12930

Wissenschaftlicher Kontakt:

Dr. Sara Hintze
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Nutztierwissenschaften
sara.hintze(at)boku.ac.at