Der Evolution auf der Spur 

Echinodermata befinden sich evolutionär am Übergang zu den Wirbeltieren und werden deswegen als Modelorganismen eingesetzt. Zwei kürzlich veröffentlichte Studien im Fachjournal JBC der AG Molekulare Glykobiologie zeigen, daß es Ähnlichkeiten in den Zuckerketten vom Seegurken & Co mit denen der Säugetiere gibt.

Stachelhäuter oder Echinodermaten sind die nächsten Verwandten der Wirbeltiere. Sie werden wegen ihres einfachen Bauplans gerne als Modellorganismen in evolutions-biologischen Studien verwendet. Die Evolution hat ihre Spur nicht nur im Genom und Proteom, sondern auch im Glykom hinterlassen. Letzteres basiert auf Zuckerstrukturen auf der Zelloberfläche. Diese Erkennungssignale sind speziell bei der Fortpflanzung im Meer wichtig um die ins Wasser freigesetzten Ei- und Samenzellen speziesspezifisch zu vereinen.

In der Molekularen Glykobiologie Gruppe am Department für Chemie, in einer Kooperation mit dem Haus des Meeres, wurden unter anderen eine Schlangenstern- und eine Seegurkenart auf ihre N-Glykane untersucht. Die Zuckerstrukturen wurden biochemisch und massenspektrometrisch analysiert. Dadurch konnten nicht nur neuartige Glykan-Strukturen entdeckt werden, sondern auch molekulare Gemeinsamkeiten zwischen den Stachelhäuter und den Wirbeltieren. Die Ergebnisse zeigen auch die Stärke von isomerischer Glykoanalytik mittels off-line MALDI-TOF MS basierend auf jahrelanger Erfahrung der FWF Fellows in der Forschungsgruppe.

Sulfated and sialylated N-glycans in the echinoderm Holothuria atra reflect its marine habitat and phylogeny
Jorick Vanbeselaere, Chunsheng Jin, Barbara Eckmair, Iain B. H. Wilson and Katharina Paschinger
J. Biol. Chem. 2020; 295:3159-3172 First Published On January 22, 2020. doi:10.1074/jbc.RA119.011701[Abstract][Full Text][Supporting Information][PDF]

Glycosylation at an evolutionary nexus: the brittle star Ophiactis savignyi expresses both vertebrate and invertebrate N-glycomic features
Barbara Eckmair, Chunsheng Jin, Niclas G. Karlsson, Daniel Abed-Navandi, Iain B. H. Wilson and Katharina Paschinger
J. Biol. Chem. 2020; 295:3173-3188 First Published On January 30, 2020. doi:10.1074/jbc.RA119.011703[Abstract][Full Text][Supporting Information][PDF]

Und doch ist der Wurm drin: immunoaktive Zucker in Herzwürmern entdeckt 

Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Parasiten wie dem Herzwurm. Die Gruppe um Iain Wilson und Katharina Paschinger hat in "Nature Communications" neue Zuckerstrukturen veröffentlicht, die es dem Parasiten ermöglichen für den Wirten "unsichtbar" zu bleiben.

Durch den Klimawandel wird es in unseren Breitengraden nicht nur wärmer: es verändern sich auch die Verbreitungsgebiete von Mücken und den von ihnen übertragenen Parasiten wie Dirofilaria immitis. Der 20-30 cm lange Fadenwurm, befällt hauptsächlich Hunde, aber auch Menschen und verursacht schwere Herzerkrankungen. Ein Teil der Entwicklung der Wurmlarven (L1-L3) verläuft obligatorisch in Stechmücken, die den Parasiten zum Endwirt übertragen. Da sich gegen die gebräuchlichen Medikamente bereits Resistenzen bilden ist man auf der Suche nach einem Impfstoff.

Am Department für Chemie hat die Arbeitsgruppe Molekulare Glykobiologie um Iain Wilson und Katharina Paschinger relevante Zuckermoleküle des Wurms erforscht und im renommierten Fachjournal Nature Communications als auch in einer Zeitschrift der Österreichischen Tierärztekammer veröffentlicht. Die Zuckerstrukturen (auch genannt N-Glykane) die mit Hilfe von Chromatographie und Massenspektrometrie gefunden wurden sind komplexer und auch mit mehrfachen Antennen größer als bisher angenommen. Erstmals konnten in Nematoden negativ geladene Modifikationen mit Glukuronsäure nachgewiesen werden. So wie in anderen parasitären Würmern, kommen im Herzwurm auch immunmodulierenden Dekorationen mit Phosphorylcholin vor.

Dank der innovativen analytischen „Glykanarray“ Methode (Barbara Eckmair/Shi Yan) konnte auch die Wirkung der N-glykane auf das Immunsystem der infizierten Hunde untersucht werden. So werden die Zuckermoleküle des Parasiten von Antikörpern im Blut des Wirts zwar erkannt, die Bindung per se aber von weiteren Zuckerstrukturen des Wurms abgeschwächt und somit die Wirtsimmunabwehr überlistet. Längerfristig können diese Ergebnisse zu einer gezielten Diagnostik und einem spezifischen Impfstoff führen.

www.tieraerzteverlag.at/vetjournal/archiv/
www.nature.com/articles/s41467-018-07948-7

Der Zucker macht die Königin 

Da Gelée Royale u.a. dafür sorgt, dass Bienenköniginnen im Vergleich zu normalen Arbeiterinnen ein fast biblisches Alter erreichen, ranken sich um die Substanz diverse Gesundheitsmythen. Die FWF Fellows Dr. Alba Hykollari und Dr. Katharina Paschinger haben nun zahlreiche neue Verbindungen im Gelée Royale gefunden. Manche davon könnten eine Wirkung auf das Immunsystem haben. Gelée Royale wird in speziellen Drüsen von Arbeiterbienen hergestellt. Während "normale" Bienenlarven nur drei Tage das Sekret bekommen, um dann auf Honig und Pollen umzusatteln, dürfen sich Bienenköniginnen weiterhin daran laben - mit weitreichenden Konsequenzen: So entwickeln sich die Königinnen bekanntlich deutlich anders als andere Bienen-Nachkommen, sie können sich fortpflanzen und mehrere Jahre leben, während den Arbeiterinnen nur ein paar Monate Lebenszeit beschieden ist. All das macht Gelée Royale schon seit jeher als Zutat in Gesundheits- und Lifestyleprodukten interessant.

Nun konnten BOKU-ForscherInnen in diesem außergewöhnlichen Bienensekret spezielle Zuckermodifikationen, darunter etwa das in der Zellkommunikation aktive Phosphoethanolamin, mittels Flüssigchromatographie und Massenspektrometrie nachgeweisen. Andere Zucker in spezifischen Verbindungen wie Fukosen können wiederum bei manchen Menschen allergische Reaktionen auslösen, was nach der Einnahme von Produkten mit Gelée Royale in einigen Fällen beobachtet wurde.

Aufgrund der neuen Erkenntnisse kann nun gezielter nach den Effekten dieser Verbindungen auf das menschliche Immunsystem als auch auf Bienenlarven gesucht werden. So wäre es in weiterer Folge lohnend zu analysieren, von welchen Proteinen Phosphoethanolamin in der Biene erkannt wird und welche Signalkette dies auslöst.

Die Studie wurde neulich  im amerikanischen Journal "Molecular and Cellular Proteomics" veröffentlicht.


Link zur Publikation: http://www.mcponline.org/content/17/11/2177

Link zum Interview/Aussendung: https://science.apa.at

https://science.orf.at/stories/2950448/

Was 'man' immer wußte – Frauen sind komplizierter

Das weibliche Geschlecht ist komplexer als das männliche, zumindest wenn 'frau' die Glykane des Schweineparasiten Oesophagostomum dentatum betrachtet. So wurden genderspezifische proteingebundene Kohlenhydratketten in einer Fadenwurmspezies entdeckt; die spezifisch weiblichen Strukturen benötigen einen deutlich komplizierteren Syntheseweg.

Viele Fadenwürmer (Nematoden), zu denen auch der freilebende Modellorganismus Caenorhabditis elegans gehört, sind Parasiten von Menschen, Tieren oder Pflanzen. Die parasitären Nematoden durchlaufen vier Larvenstadien bis zur Geschlechtsreife. In einer Ko-operation mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien war es möglich Larven sowie Männchen und Weibchen des Schweineparasits Oesophagostomum dentatum zu gewinnen, um Glykom-analysen durchzuführen.

In der aktuellen Studie wurden neue Modifikationen der Zuckerketten (N-glykane) entschlüsselt: Neben den für Nematoden typischen paucimannosidischen und phosphorylcholin-modifizierten Strukturen, wurden ungewöhnliche und geschlechtsspezifische Methylierungsmuster entdeckt. Dazu wurde eine Kombination biochemischer und hochauflösender massenspektrometrischen Methoden verwendet.

Link zur Publikation: https://dx.doi.org/10.1016/j.bbagen.2016.10.011