Forscher*innen an der BOKU haben entdeckt, dass die allgegenwärtige Wassernanoschicht auf der Oberfläche von Cellulosefasern Reaktionen ermöglicht, die in Wasser selbst unmöglich wären.

Der Begriff Chemie wird heutzutage oft noch mit chemischen Prozessen assoziiert, die in organischen Lösungsmitteln ablaufen und steht damit klar in Kontrast zu biochemischen Reaktionen in der Natur. Wasser spielt hier eine Kernrolle und besonders oberflächengebundenes Wasser, das sich in Zellen und Proteinen befindet, ist in biochemische Prozesse involviert und macht sie effizienter oder gar erst möglich. Forscher*innen der Universität für Bodenkultur Wien haben nun entdeckt, dass auch oberflächengebundenes Wasser in Cellulose-Fasern eine ähnliche Funktion hat und damit ein großes Potential bietet, chemische Reaktionen in Zukunft nachhaltiger und effizienter zu machen. Cellulose ist - als Hauptbestandteil von Holz und höheren Pflanzen - der Stoff, aus dem alle Papierarten, Textilfasern und Cellulosederivate bestehen und um den sich die gesamte Papier- und Zellstoffindustrie dreht.

Schnell, nachhaltig, umweltfreundlich

„Synthetische Systeme, die dieses Konzept ausnutzen, sind bereits bekannt, aber bislang waren diese Systeme eher umständlich, komplex und sie basierten in den meisten Fällen auf öl-basierten Rohstoffen“, sagt Marco Beaumont vom Institut für Chemie Nachwachsender Rohstoffe. Im Vergleich dazu, ist das oberflächengebundene Wasser auf der Cellulosefaser allgegenwärtig und praktisch immer vorhanden. Damit sind keine weiteren Prozessschritte notwendig und die Wassernanoschicht auf der Oberfläche von Cellulose kann direkt als ein nachhaltiges Reaktionsmedium verwendet werden. Forscher*innen der Universität für Bodenkultur Wien haben gezeigt, dass nicht nur die Effizienz von Oberflächenreaktionen gesteigert und die Reaktionen um das Achtfache beschleunigt werden können, sondern sogar deren Selektivität steuerbar ist. „Dieses Prinzip kann genutzt werden, um organische Lösungsmittel zu vermeiden und Polysaccharidchemie in Zukunft deutlich nachhaltiger zu gestalten“, sagt Thomas Rosenau vom Institut für Chemie Nachwachsender Rohstoffe. Die durch oberflächengebundenes Wasser vermittelten Reaktionen sind nachhaltig und übertreffen die in organischen Lösungsmitteln ablaufenden Reaktionen in ihrer Umweltverträglichkeit, aber auch Effizienz, natürlich bei weitem. 

Die Forschungsergebnisse sind das Resultat einer internationalen Kooperation mit Finnland und Kanada unter der Federführung des Instituts für Chemie Nachwachsender Rohstoffe der BOKU wurden nun im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Marco Beaumont, Paul Jusner, Notburga Gierlinger, Alistair W. T. King, Antje Potthast, Orlando Rojas, Thomas Rosenau. Nature Comm. 202112, 2513. Unique Reactivity in Surface-Confined Water of Hierarchically Structured Biopolymers. https://www.nature.com/articles/s41467-021-22682-3

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Rosenau
Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe
Universität für Bodenkultur Wien
thomas.rosenau(at)boku.ac.at

Dr. Marco Beaumont
Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe
Universität für Bodenkultur Wien
marco.beaumont(at)boku.ac.at