Agrobiotechnologen am Campus Tulln bei der Handarbeit : BOKU-Doktorandin Rizky Pasthika Kirana (Mitte) sowie die Gaststudierenden Eze Chinedu (links) und Magdalena Matic (rechts) © BOKU/Department für Agrobiotechnology

Weizen zählt zu den wichtigsten Kulturpflanzen. An der Verbesserung seiner Eigenschaften wie der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen wird daher intensiv geforscht. Ein weltweites Meilensteinprojekt unter Mitwirkung der BOKU hat nun ein Ziegengras unter die Lupe genommen, das zu den Vorfahren des modernen Weizens gehört, und genetische Unterschiede identifiziert, welche Weizen in Zukunft noch robuster machen können.

Genetisch betrachtet zählt moderner Brotweizen zu den komplexesten Lebewesen des Planeten. Sein Genom besteht aus rund 110.000 Genen und 17 Milliarden Basenpaaren. Im Vergleich: Der Mensch weist gerade einmal 25.500 Gene und drei Milliarden Basenpaare auf. Das gestaltet die Forschung und Weiterentwicklung von Weizen schwierig. „Einzelne Gene zu identifizieren, die für bestimmte agronomisch relevante Merkmale wie Schädlingsresistenzen zuständig sind, ist extrem kompliziert“, erklären Hermann Bürstmayr und Barbara Steiner vom Institut für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion. Einfacher gelingt das, wenn nur ein Teil des Weizengenoms untersucht wird. Und genau das tat die Universität für Bodenkultur Wien nun gemeinsam mit 35 Forschungsinstituten aus 17 Ländern, indem sie das Genom von Ziegengras (Aegilops tauschii), einen Vorfahren von Weizen, entschlüsselte.

Insgesamt 242 verschiedene Formen, sogenannte Akzessionen, dieses „Wildweizens“ wurden analysiert. Das Ergebnis: Sehr wenig von den Akzessionen findet sich im Erbmaterial von modernem Brotweizen. Der Großteil dieser enormen Diversität blieb bisher ungenutzt. „Durch die Erstellung einer Bibliothek von Weizenlinien aus Kreuzungen mit verschiedenen Ziegengras-Akzessionen entstand ein Fundus an wertvollen Eigenschaften, die nun in der praktischen Pflanzenzüchtung genutzt und dazu beitragen können, Weizenerträge zu stabilisieren oder sogar zu verbessern“, so Bürstmayr. Schließlich steigt der Druck auf die Produktion und die Herausforderungen wachsen: Während die Bevölkerungszahl nach oben klettert, tut das die Temperatur gleichfalls.

Weizen bringt hohe Erträge, liefert viel Energie und passt sich an wechselnde Umwelten gut an. Zweifelsohne ist die Entstehung des Brotweizens eine evolutionäre Erfolgsstory. Als sich die Vorfahren des heutigen Brotweizens zweimal zufällig kreuzten entstand ein anpassungsfähiges Hochleistungsgetreide. Bei jeder Kreuzung kam ein Genom dazu. Aus der diploiden Urform „Einkorn“ mit einem Genom, entstand tetraploider Emmer. „Vor etwa 9.000 Jahren schließlich kreuzte sich dieser zufällig mit Aegilops tauschii“, so Barbara Steiner. Das Genom von Brotweizen war von nun an hexaploid, hat also einen sechsfachen Chromosomensatz. Während das Getreide anpassungsfähiger wurde, ging auch viel genetisches Potential verloren. An der BOKU wurden 150 Ziegengras-Akzessionen im Glashaus phänotypisiert und ihre Eigenschaften, wie Blühdatum, Anfälligkeit für verschiedene Krankheiten sowie Mykotoxinresistenz analysiert.

Herausforderungen gab es dabei allerhand. Nach zwölf Wochen bei 5°C in Kühlanlagen, wurden die Keimlinge im Glashaus getopft. Weitere zwei Monate vergingen. Während Brotweizensorten sich im Blühdatum nur in wenigen Tagen unterscheiden, brauchten die Ziegengras-Akzessionen gleich viele Wochen. Auch steht es im Gegensatz zur modernen Variante nicht selbstständig. In mühsamer Handarbeit musste das Team rund um Doktorandin Rizky Pasthika Kirana die Halme binden, etwa damit seine Ähren nicht frühzeitig bei Berührung zerfallen. Für ein zuverlässiges Ergebnis braucht es darüber hinaus mehrere randomisierte Wiederholungen. Ein enormer Aufwand, der nun Früchte trägt.

Die Studie ist aktuell im Fachmagazin Nature Biotechnology erschienen:
https://www.nature.com/articles/s41587-021-01058-4

Kontakt
Univ. Prof. DI Dr. Hermann Bürstmayr, DI Dr. Barbara Steiner
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion
Email: hermann.buerstmayr@boku.ac.at, barbara.steiner@boku.ac.at
Telefon: +43 1 47654-97101, 97102; +43 1 47654-97105