Standort: Muthgasse 107/I, 1190 Wien, Österreich

 

Leiter:

Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Martin Wendland

Tel.: +43-1-3709726-202

e-mail: martin.wendland(at)boku.ac.at

 

Sekretariat:

Sandra Gold

Tel.: +43-1-3709726-200

e-mail: sandra.gold(at)boku.ac.at

Die ArbeitsGruppe Thermodynamik und Verfahrenstechnik hat folgende Forschungsschwerpunkte:

 

Das Institut ist auch stark im Bereich der Modellierung und Simulation engagiert, wobei unser Spezialgebiet die molekulare Simulation ist. Neben zahlreichen selbst entwickelten Programmen für kleinere Moleküle verwenden wir jetzt auch den Freeware-Code MACSIMUS, der von der EU finanziert wurde und von Dozent Kolafa aus Prag gepflegt wird. Das Akronym MACSIMUS steht für MACromolecular SIMUlation Software, da dieser Code zur Simulation von Makromolekülen, wie Biomolekülen, eingesetzt werden kann. Bei MACSIMUS besteht im Gegensatz zu den üblichen kommerziellen Programmen die Möglichkeit, eigene Entwicklungen in den Code selbst einzufügen.

 

Biothermodynamik

Die Anwendung der molekularen Thermodynamik auf biotechnologische Fragen wird heute als die große Herausforderung für die Thermodynamik gesehen, der wir uns stellen wollen. Das Institut ist Mitglied in der Gruppe „Functional Genomics“, die in einem Dreijahresprogramm in 2004 UNIInfrastruktur-Mittel erhielt, und ist am Arbeitskreis „Biothermodynamik“ der DECHEMA beteiligt.

Im experimentellen Bereich wurde im Rahmen der UNIInfrastruktur-Förderung in 2005 ein Differentialkalorimeter beschafft, das zur Messung von Phasenübergangen in Lösungen und an Grenzflächen von Biosystemen eingesetzt wird. Die im Aufbau befindliche Apparatur zur Messung der elektromotorischen Kraft (EMK) soll zur Bestimmung von Aktivitätskoeffizienten in wässrigen Lösungen verwendet werden, die Aufschluss über Wechselwirkungen von Proteinen in wässriger Lösung geben.

 

 

Auf dem Gebiet der molekularen Simulationen soll der Code MACSIMUS für mehrere Zielsetzungen genutzt werden, von denen hier einige beispielhaft genannt werden.

a) Zur Berechnung von osmotischen zweiten Virialkoeffizienten von Biomolekülen in wässriger Lösung mit einer von uns entwickelten neuen Methode

 

(W. Billes et al, Change of free energy during adsorption of a molecule, Langmuir 19, 10862 (2003)).

 

b) Zur Untersuchung der Struktur und Wasserbeladung von Enzymen in der Gasphase. Hintergrund dafür ist, dass enzymatische Reaktionen in der Gasphase ein interessantes Forschungsthema in der Verfahrenstechnik sind. Wichtig ist dabei die Frage, an welchen Interaction-Sites des Biomoleküls die Wassermoleküle andocken. Diese Frage soll durch molekulare Simulationen beantwortet werden.

 

c) Zur Untersuchung der thermodynamischen Eigenschaften von ionischen Flüssigkeiten. Ionische Flüssigkeiten sind komplexe Salze, die bei Umgebungstemperatur flüssig sind und für die verschiedene Einsatzmöglichkeiten in der Biotechnologie und der „Grünen Chemie“ in Frage kommen.

 

Fluide an Grenzflächen - Gleichgewicht und Transport

Unsere Gruppe beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Modellierung von Fluiden an Grenzflächen.

Auf dem Gebiet des thermodynamischen Gleichgewichts untersuchen wir derzeit mit molekularen Simulationen die Adsorption von kleineren Molekülen wie Benzol aus wässriger Lösung. Diese Arbeiten werden finanziell durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Schwerpunktprogramm „Molekulare Modellierung und Simulation in der Verfahrenstechnik“ gefördert.

(R. Tscheliessnig, W. Billes, M. Wendland, J. Fischer and J. Kolafa,  Adsorption of benzene from aqueous solution, Molec. Simulation 31, 661-666 (2005)).

 

Weiters sind wir in das EU-Projekt "Theory and Computer Simulations of Interfacial Phenomena" eingebettet, in dem wir das Verhalten von Kettenmolekülen an Grenzflächen mit der Dichtefunktionaltheorie und molekularen Simulationen untersuchen.

(R. Tscheliessnig, W. Billes, J. Fischer, S. Sokolowski and O. Pizio, The role of fluid wall association on adsorption of chain molecules at functionalized surfaces: A density functional approach, J. Chem. Phys. 124, 164703 (2006)).

 

Weitergehende Ziele, die in nächster Zeit angegangen werden sollen, sind der Übergang zur Adsorption von kleineren Biomolekülen und Proteinen, um so an die Biothermodynamik anzukoppeln.

Im Gebiet des Transportverhaltens haben wir Pionierarbeit in der Mikrofluidik geleistet. In einer Dissertation wurde die Verdampfung von Tropfen untersucht. 

 

 

 

 

(S. Sumardiono and J. Fischer, Molecular dynamics simulations of mixture droplet evaporation, EUROTHERM Seminar 77: Heat and Mass Transfer in Food Processing, Parma 2005, ISBN 88-467-1302-8).

(S. Sumardiono and J. Fischer, Molecular simulations of droplet evaporation processes: Adiabatic pressure jump evaporation, Int. J. Heat and Mass Transfer 49, 1148-1161 (2006))

Thermodynamische Stoffeigenschaften für nachhaltige Energietechnik

Themen, an denen wir zur Zeit arbeiten sind:

a) Thermodynamische Stoffeigenschaften von Arbeitsmedien für Kältemaschinen, Wärmepumpen, sowie für ORC-Prozesse bei Niedrig- und Mitteltemperaturen

b) Thermodynamische Eigenschaften von feuchter Luft zur Energiespeicherung durch Druckluft (EU-Projekt Advanced Adiabatic Compressed Air Energy Storage)

 

ad a) Die Thermodynamik der Kältetechnik ist in Österreich traditionell bei der Lebensmitteltechnologie und damit an der BOKU beheimatet.

Es ist bekannt, dass einerseits die Kühlung von Lebensmitteln unverzichtbar ist, dass aber anderseits die traditionellen Kältemittel wesentlich zum Abbau der Ozonschicht und zum Treibhauseffekt beitragen, weshalb es gilt, neue Kältemittel zu suchen und deren thermodynamische Wirkungsgrade zu bestimmen. Das Institut hat in den vergangenen Jahren substantielle Beiträge zur Thermodynamik neuer Kältemittel geleistet, wobei insbesondere die am Institut entwickelte und als Code bereitgestellte Zustandsgleichung BACKONE sehr nützlich ist

 

(B. Saleh, M. Wendland, Screening of pure fluids as alternative refrigerants, Int. J. Refrigeration 29, 260-269 (2006)). Trotz dieser Fortschritte gibt es noch eine Reihe von alternativen Kältemitteln, deren Stoffeigenschaften vermessen werden sollten, wozu das Institut experimentell gut ausgestattet ist

 

(B. Saleh und M. Wendland, Measurement of vapor pressures and saturated liquid densities of pure fluids with a new apparatus, J. Chem. Eng. Data 50, 429 -437 (2005)).

 

Anzumerken ist, dass viele Kältemittel auch für Organische Rankine-Clausius (ORC) Prozesse zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Dabei kann Niedrigtemperaturwärme aus der Geothermie sowie Mitteltemperaturwärme aus der Verbrennung von Biomasse eingesetzt werden (B. Saleh, G. Koglbauer, M. Wendland and J. Fischer,  Working fluids for low-temperature Organic Rankine Cycles, Energy - The International Journal, in press). Obwohl bereits mehrere solcher ORC-Prozesse laufen, ist die Frage der optimalen Arbeitsmedien noch offen. Die am Institut vorhandenen experimentellen Einrichtungen und die Expertise in der Entwicklung von thermodynamischen Zustandsgleichungen können auch zur Untersuchung von Arbeitsmedien für ORC-Prozesse eingesetzt werden.

 

ad b) Bemerkenswert ist, dass die thermodynamische Eigenschaften von feuchter Luft bei hohen Drücken nur unzureichend bekannt sind, obwohl die Energiespeicherung durch Druckluft und die Humid Air Turbine danach ausgelegt werden müssten. Der Grund dafür ist, dass feuchte Luft messtechnisch schwierig zu erfassen ist, weshalb am Institut eine neue Messmethode entwickelt wird, welche die FTIR-Spektroskopie bei hohen Drücken einsetzt.

 

 

Verfahrenstechnik nachwachsender Rohstoffe

Durch die Verknappung und die damit verbundene Verteuerung der fossilen Rohstoffe stellen nachwachsende Rohstoffe (NaWaRos) eine immer interessanter werdende Rohstoffalternative für die industrielle Stoffproduktion dar.

Dabei darf der Begriff NaWaRo nicht auf bereits in hohem Maße eingesetzte Stoffe wie Zucker oder Stärke beschränkt bleiben. Dies würde zu einer Limitierung der Rohstoffbasis führen, da die steigenden Anforderungen in Zukunft nicht durch die landwirtschaftlichen Kapazitäten gedeckt wären. Sinnvoll ist es vielmehr, neue Rohstoffquellen zu erschließen. Hier bieten sich beispielsweise Lignozellulose oder Milch an.

 

Ziel des Forschungsschwerpunktes – Verfahrenstechnik nachwachsender Rohstoffe – ist es einerseits, neue, ressourcenschonende Produktionsverfahren zu entwickeln und andererseits, innovative Produkte aus NaWaRos zu erzeugen. Es sollen Prozessschritte in der Verarbeitung von Lignozellulose, Milch und anderen NaWaRos untersucht werden, die in bereits existierende Prozesse integriert werden können. So wird eine kaskadenartige Nutzung von biologischen Rohstoffen ermöglicht. Es kann auf diesem Weg eine bessere Nutzung des Rohstoffpotentials, eine höhere Wertschöpfung und schließlich eine Steigerung des Wertes landwirtschaftlicher Arbeit erreicht werden.

 

Das Institut verfügt über eine Supercritical Fluid Nucleation (SFN) Apparatur im Labormaßstab, die modular aufgebaut ist (Module zur CO2- und Lösungsmittelversorgung, Extraktionsmodule, Präzipitationsmodule). Anfang 2007 kommt es zur Anschaffung einer SFN-Pilotanlage, wodurch es möglich wird, entwickelte Verfahren im Pilot-Maßstab durchzuführen.

 

Mit der Laborapparatur wurde die Bearbeitung folgender Projekte bereits in Angriff genommen bzw. ist in Planung:

 

a) Zelluloseaufschluss - Zellulose ist der Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden (Massenanteil 50%) und damit die häufigste organische Verbindung der Erde. Um diese Rohstoffquelle nutzbar zu machen ist unter anderem eine gute Zugänglichkeit der Zellulosefasern wesentlich. Der Aufschluss von Zellulose mit überkritischem CO2 wird derzeit untersucht.

 

b) Milchproteine – Überkritisches CO2 kann zur Präzipitation, Fraktionierung, Trocknung und Formulierung von Wirk- und Wertstoffen verwendet werden. Es ist geplant, den Einsatz verschiedener Verfahren mit dem Rohstoff Milch zu testen. Damit sollen einerseits neue, interessante Produkte aus diesem Rohstoff produziert und andererseits Verfahren, die auch für andere Wertstofflösungen  - Fermentationsbrühen, etc. – einsetzbar sind, entwickelt werden.

 

c) Coatings, Drug Delivery – Um die Löslichkeit von Wirk- und Wertstoffen beeinflussen bzw. steuern zu können, ist es hilfreich, die Stoffe zu coaten. Darunter versteht man das Verbinden von Wertstoffpartikeln mit Polymeren, die das gewünschte Löslichkeitsverhalten vorweisen. Erfolgt das Coating aus Schmelzen oder flüssigen Lösungen kann es während der Beschichtung zur unerwünschten Agglomeration von Produkt kommen. Durch den Einsatz von überkritischem CO2 können diese Probleme umgangen werden.

 

Abbildung: Links oben – Zellulosefasern, 1:40; Links unten – Löslichkeitsversuch Zellulose; Rechts oben und Rechts unten – Benzoesäurekristalle, 1:40 bzw. 1:100; Mitte - Hochdruckapparatur